Moishe Bourla ist 87 Jahre alt und wohnt im jüdischen Altersheim Saul Modiano in Thessaloniki. Er blickt zurück auf ein bewegtes Leben: Mit 13 wurde er Kommunist, mit 20 kämpfte er als Partisan gegen die Deutschen. Nach 1945 vebannte ihn die rechte griechische Regierung für sieben Jahre auf eine Strafinsel bevor sie ihn schliesslich nach Israel auslieferte. Später lebte er in Russland und 1990 kam er in seine Heimatstadt Thessaloniki zurück. Er sagt von sich, dass es ihm egal war, ob er Grieche, Italiener oder Jude war, die Hauptsache für ihn war Kommunist zu sein und einen freien Geist zu haben.
Sofia Leviti ist Pflegerin im Altersheim Saul Modiano. Sie ist im fernen Kazachstan aufgewachsen, wo sie Englischlehrerin war. Ihre Familie ist griechischer Abstam-mung. In der ehemaligen Sowjetunion gab es mehrere hunderttausend Menschen griechischer Ab-stammung. Viele sind nach 1990 ausgewandert, die meisten von ihnen nach Griechenland, viele nach Thessaloniki und Sofia ist eine von ihnen.
Yaacov war 15 Jahre alt, als er nach Auschwitz deportiert wurde. Er entstammt einer wohlhabenden Familie. Nach dem Krieg ging er nach Israel, weil er nicht in den griechischen Bürgerkrieg hineingezogen werden wollte. Erst viele Jahre nach dem KZ begann er von seiner Erfahrung zu erzählen, weil er sich dafür schämte.
Olivera Shaquiri ist eine albanische Roma, die sich das Leben mit Betteln verdient. Ihre Familie lebt in Albanien. Sie ist 20 Jahre alt und Mutter einer 6-jährigen Tochter. Die Zigeuner gehören zum alltäglichen Bild einer jeden Stadt im Balkan.
Jiannis Kiriakidis fotografiert als Reporter seit 50 Jahren alle lokalen Ereignisse Thessalonikis. Er ist der Inbegriff eines Thessalonikers und wie viele seiner Mitbür-ger stammt seine Familie aus Kleinasien, er ist ein Pondi, wie die Griechen von der Schwarzmeer-küste genannt werden. Aber auch ein glühender Makedonier und Patriot, der sich in seiner Identität durch den neuen Nationalstaat Mazedonien bedroht fühlt.
Oscar Florentin stammt aus einer armen jüdischen Familie und war 18, als er mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert wurde. Eben hatte er das Gymnasium ab-geschlossen und wollte studieren. Aber, so sagt er: «Die Deutschen haben mich in eine viel bessere Universität geschickt… nach Auschwitz!» Er erzählt, wie abweisend und respektlos er und andere Überlebende bei ihrer Rückkehr von den Griechen empfangen wurden. Daran scheint er noch heute zu leiden.
Dani Sevi ist 13 Jahre alt. Er bereitet sich auf seine Bar-Mitzvah vor. Zusammen mit seinem Bruder Baruch gehört er zur jüngsten Generation der jüdischen Gemeinde Thessalonikis. Im Ganzen leben noch etwa 500 Juden in dieser ehemalig mehrheitlich jüdischen Stadt.
Davico Saltiel ist seit 25 Jahren der chazan, der Vorsänger oder Kantor, in der Synagoge Thessalonikis. Er ist der einzige, der die traditionelle, sephardische Art und Weise des Vortragens der Psalmen noch kennt. Vor seiner Stelle als chazan war er Schuhmacher. Er entstammt einer sehr armen jüdischen Familie. Sein Vater war Sozialist und Partisan, zusammen mit seiner Familie flüchtete er 1942 in die Berge, wo sie den Krieg und die Deportationen überlebt haben.
Devin Naar stammt aus New Jersey und ist Geschichtsstudent. Seine Vorfahren stammen aus Saloniki und emigrierten in den 1920er Jahren in die USA. Die persön-liche Suche nach seinen Wurzeln führten ihn nach Thessaloniki, wo er in den wenigen erhaltenen Archivmaterialen der jüdischen Gemeinde nach der Geschichte seiner Familie und der Geschichte der jüdischen Gemeinde allgemein forscht. Ihn interessiert die Verschmelzung der osmanisch-türkischen, der spanischen, der jüdischen und der griechischen Linien dieser Stadt.